Mittwoch, 7. August 2013

Interview mit Claudio Kirchmair

Liebe Leserinnen,
Liebe Leser,

diesmal haben wir einen besonderen Leckerbissen für euch vorbereitet. Ein Interview mit - dem legendären - Claudio Kirchmair, Österreichs erfolgreichstem YGO Spieler bisher.

Es gibt ja schon eine Menge über Claudio als Spieler zu lesen. Wir haben versucht, neben den üblichen YGO Fragen, auch mal seine "private" Seite zu beleuchten um ihn auch als Person kennen zu lernen. Doch genug der langen Reden, auf geht's zum Interview:

TCGCity: Hallo Claudio, stell' dich doch mal vor!

Hi, mein Name ist Claudio Kirchmair, ich bin 26 Jahre alt und komme aus Graz in Österreich.


TCGCity: Was machst du gerade neben YGO?
Derzeit studiere ich Softwareentwicklung und Wirtschaft an der Technischen Universität in Graz und bin im 5ten Semester (WS 2013/2014). Wenn es die Zeit zulässt versuche ich neben dem Studium als Softwareentwickler Projekte abzuwickeln.
TCGCity: Nenne uns bitte deine größten Erfolge als Spieler:
  • 2013 Austrian National Championship – 2nd Place
  • 2010 SJC Los Angeles – Top 16
  • 2009 Austrian National Championship – 1st Place
  • 2008 SJC Seattle – Top 8
  • 2008 World Championship – 4th Place
  • 2008 European Championship – 2nd Place
Wer eine komplette Auflistung haben möchte, kann dies unter meinem Profile nachlesen:
http://www.unitedgosus.com/people/claudio-kirchmair/

TCGCity: Welche waren deine wertvollsten Erfolge?
Also da kann ich ein paar aufzählen ;) Ich denke mal einer meiner wichtigsten Erfolge in den frühen Jahren war der 3te Platz bei der Pharaoh Tour in Wien 2007, weil das eigentlich mein erster richtiger Turniererfolg war. Danach ging es Schlag auf Schlag, weil ich im Jahr 2008 richtig durchgestartet bin mit meinem Sieg auf dem Wintercup Finale 2008 (wo ich unter anderem auch Vittorio Wiktor bezwang) und danach der 2te Platz auf der Europameisterschaft in Amsterdam mit dem anschließenden 4ten Platz auf der Weltmeisterschaft in Berlin. Zu diesem Zeitpunkt fühlte ich mich schon sehr stolz Österreich so erfolgreich zu vertreten, weil es bei unserer Community immer noch der internationale Durchbruch gefehlt hat. Wir hatten zu dem Zeitpunkt erfolgreiche Spieler, aber diese sind bisher auf internationaler Bühne knapp gescheitert (z.B. Daniel Kaltenbacher auf der Europameisterschaft 2006).
Der Österreichischen Meistertitel 2009 setzte dem Ganzen dann natürlich die Krone auf, weil das eines meiner persönlichen Ziele war seitdem ich mit dem Spiel angefangen hatte. Es war auch wichtig, weil ich 2008 sehr knapp in den Top 8 ausgeschieden war und ich zu dem Zeitpunkt eigentlich schon den Titel haben wollte.

Ansonsten ist mir noch die SJC in Los Angeles 2010 in Erinnerung, weil es das größte  Turnier damals war auf dem ich teilnahm und dann unter die Top 16 von über 1600 Leuten zu kommen, also das 1% der Teilnehmer zu sein war schon was besonderes für mich.

TCGCity: Was waren die Gründe für diesen Lauf?

Ich war zu dem Zeitpunkt als Softwareentwickler tätig und habe meine freie Zeit dazu genutzt mit Michel Grüner  Yu-Gi-Oh! Duelle über Webcam zu machen, Deckideen zu besprechen und auf Turnierreisen zu gehen. Durch meine Arbeit hatte ich genug gespart um einige Male nach Amerika zu reisen, wodurch ich noch mehr Spielpraxis sammeln konnte. Ich habe das Spiel wirklich sehr intensiv gespielt und sehe das als Grund für meinen Erfolg.

TCGCity: Wieso spielst du noch immer YGO? Was macht für dich den Reiz aus dem Spiel so lange die Treue zu halten?
Ich glaube das Yu-Gi-Oh! eine Mischung aus Schach und Poker ist. Man muss sich immer eine Strategie ausdenken, das Metagame analysieren und dann während dem Spielen alle verschiedenen Möglichkeiten durchdenken und schnell zum besten Spielzug zu kommen. Yu-Gi-Oh! hat einfach sehr viele Möglichkeiten und Situationen und kein Spiel gleicht dem anderen. Man kann jede Spielsituation als Problemstellung ansehen und jeden Spielzug den man selbst macht als Lösungsversuch dieser Problemstellung. Das ist dasselbe Prinzip das man als Programmierer verfolgt und darin habe ich ein gewisses Talent.
Aber der Hauptgrund wieso ich noch immer spiele sind die Leute die ich durch das Spiel kennen und schätzen gelernt habe. Meine Freundschaften die ich durch Yu-Gi-Oh! geschlossen habe sind der wahre Grund wieso ich das Spiel noch immer mit Leidenschaft weiterverfolge ;)

TCGCity: Was sagst du zum Power Creep in YGO? Siehst du sowas oder hat sich das Spiel einfach nur verändert?
In Yu-Gi-Oh! gibt es derzeit zu starke Karten und um das in den Griff zu kriegen bringt man einfach noch stärkere Karten heraus. Das hat einen lustigen Effekt weil Decks die vor einem Monat unfair waren plötzlich nach dem Erscheinen eines neuen Sets nur mehr als fair angesehen werden. Also in dem Bezug hat sich das Spiel sehr stark verändert und es wundert mich immer wieder wieso das Spiel trotzdem funktioniert.
TCGCity: Wie stehst du zum aktuellen Preisgefüge der Karten? Ist hier die Eintrittshürde v.a. für Neulinge und Kinder nicht besonders hoch?

Ich finde das gewisse Karten einfach zu teuer sind. Ich habe immer ein sehr schlechtes Gewissen, wenn ich 100€ für eine einzelne Karte ausgebe, weil das einfach sehr viel Geld ist. Noch schlimmer ist es dann, wenn ein junger Spieler sein ganzes Taschengeld in eine Karte investiert und am Schluss wird ihm dann diese entweder gestohlen oder von einem anderen Spieler abgezockt.

Das mit dem Diebstahl ist mir selbst schon zweimal passiert und ich weiß dadurch welche Abgründe die Yu-Gi-Oh! Community hat. Wahrscheinlich will das Leben einem zeigen, dass man mehr auf seine Sachen aufpassen sollte und es ist eine harte Lektion. Ich könnte das Ganze Thema jetzt auch näher erklären und erzählen wieso viele Probleme aus der Yu-Gi-Oh! Community eigentlich von der allgemeinen Gesellschaft hereingetragen werden aufgrund der Zielpersonen, aber da ist es klüger einen Artikel zu verfassen.
Ich finde es gut wenn es ein paar teure Karten gibt, weil dadurch der Yu-Gi-Oh! Markt am Leben bleibt, aber das sollten dann Preise sein von maximal 50€. Leider wird der Markt aber durch eBay bestimmt und durch die Seltenheitsstufe von spielbaren Karten, worauf ich leider in beiden Fällen keinen Einfluss habe.

TCGCity: Wie gefällt dir das aktuelle Metagame und welches war aus deiner Sicht das Beste?
Das aktuelle Metagame ist meiner Meinung nach ein wenig zu schnell und es gibt zu viele starke Eröffnungen (Spellbook, Dragon Ruler, Evilswarm). Ansonsten ist es wieder ein Format wo man als guter Spieler einen klaren Vorteil hat, weil die Spielzüge sehr komplex sind und man sehr viel vorausdenken muss.
Das beste Metagame war für mich Tele-Dad, weil sich auch hier der Unterschied zwischen einem guten und einem weniger guten Spieler gezeigt hat. Ich hatte damals meine legendären Turnierläufe von 33-0 und sowas hatte ich eigentlich nie mehr. Leider war es ein sehr teures Format, aber ich hatte zu dem Zeitpunkt bereits alle Karten, also war das kein Problem für mich.

TCGCity: Was waren die größten und bereichernsten Veränderungen in YGO für dich?

Die Einführung der Synchro Monster. Dadurch wurde das Spiel noch komplexer und dadurch wiederum interessanter für mich. Dann noch die Einführung von YCS Turnieren in Europa was sicher einer der Hauptgründe dafür ist, dass Yu-Gi-Oh! in Europa so boomt und teilweise an die Erfolge von den amerikanischen Turnieren anknüpfen kann.
TCGCity: Wie stehst du zu Cheating und siehst du das als großes Problem bei YGO?

Ich bin ein Spieler der sich zu Beginn sein Ziel gesetzt hat, der beste faire Spieler zu werden. Im Laufe der Jahre habe ich dann leider gelernt, dass sehr viele meiner Vorbilder Ihre Erfolge durch Betrug erreicht haben und das Cheating von der Yu-Gi-Oh! Community akzeptiert und sogar bewundert wird.

Ich finde, dass Cheating und der falsche Umgang mit Cheating auf Turnieren/in Coverages/in der Community das derzeit größte Problem in Yu-Gi-Oh! ist. Meiner Meinung nach sollte Cheating nicht toleriert werden und man sollte pro-aktiv Schritte dagegen setzen. Sei es nun dass man auf inoffiziellen Turnieren gebannte Spieler nicht teilnehmen lässt, dass man in Coverages DQ Berichte veröffentlich mit Spielernamen, dass man jedem Spieler ins Gewissen redet (vor allem seinen Freunden) oder dass man es Teilnehmern vereinfacht auf offiziellen Turnieren Cheating zu melden. Es gibt hier unzählige Sachen die man verändern könnte um das Problem in den Griff zu kriegen und ich muss immer auf Magic the Gathering verweisen, weil ich finde die haben es sehr gut im Griff. Dort ist auch allgemein das Ganze sehr viel strenger bzw. strikter.

TCGCity: Wieso werden immer wieder Top-Spieler erwischt?
Die Antwort ist sehr einfach; 90% der Top-Spieler cheaten und wenn man einmal in diesen Kreisen drinnen ist kann man sogar genau sagen wer welchen Trick kann. Ich wollte mal einen Artikel über die Entwicklung des Cheating innerhalb von Yu-Gi-Oh! schreiben, aber ich bin dann aus Zeitgründen nie dazugekommen. In Yu-Gi-Oh! sollte man sich eher die Frage stellen wer von den Top-Spielern ist clean anstatt von wer betreibt Cheating. Ich möchte auch noch anmerken, dass es zwei Arten von Cheater gibt: Leute die dazu stehen und Leute die sich selbst belügen und alle anderen auch. Ist aber eine Sache von Charakter. Ich habe auch schon viele Leute getroffen die Ihr Verhalten geändert haben und mit dem Cheaten aufgehört haben nachdem ich mit Ihnen geredet habe oder Sie nach einiger Zeit selbst zu der Erkenntnis gekommen sind, dass Cheating nicht der richtige Weg im Leben ist. Das heißt das Hoffnung besteht, aber halt nicht für jeden.
TCGCity: Kannst du ein paar Worte zu Simon He sagen? Was ist bei der EM geschehen?

Bezüglich Simon He habe ich auch kein Problem darüber zu sprechen. Wir hatten vor einem Jahr bereits den Verdacht, dass Simon auf irgendeine Art und Weise stackt, aber es gab nie einen konkreten Beweis dafür und in einem persönlichen Gespräch versicherte mir Simon, dass die Vorwürfe belanglos seien und dass er sowas nicht tut. Im Laufe des Jahres häuften sich die Gerüchte, aber nachdem ich Simon vertraute ging ich der Sache nicht mehr nach. Der DQ von Simon auf der diesjährigen EM traf dann das Team und mich wie ein Shock. Zuerst wusste keiner was überhaupt los war und mir wurde aber dann im Laufe der Ereignisse Informationen zugetragen wodurch es keinen Zweifel mehr gab, dass Simon zu Recht DQed wurde. Es war hier kein Missverständnis sondern eine sehr klare Beweislage und ich fühlte mich von Simon betrogen. Das  war dann auch der Grund für meine harte Reaktion als Vize President, Players von unserer Organisation United Gosus und der Entlassung von Simon als einen unserer Spieler. Man kann Simon ein wenig mit Adam Corn vergleichen und die Zukunft wird zeigen, dass Ihm die Community verzeihen wird, weil er einfach sehr populär ist und sicher viele Spieler Ihn  als ein Idol ansehen.

TCGCity: Deine schönsten Erinnerungen in Bezug auf YGO?
- Der 4te Platz auf der Weltmeisterschaft in Berlin mit den anschließenden Interviews, der Trophäe und allem was dazu gehört.
- Fast zweimaliger Österreichischer Meister ;)
- Die Aufnahme in United Gosus was zu dem Zeitpunkt das erfolgreichste Europäische Team.
- Der erste Sieg auf dem Bundesländerkampf in Schwechat Wien für die Steiermark.
- Alle Turnierreisen mit meinen wackeren Mitreisenden.

TCGCity: Wie sehen deine weiteren Ziele aus?
Wie schon eine halbe Ewigkeit lang werde ich weiterhin versuchen endlich eine YCS für mich entscheiden zu können. Den Österreichischen Meistertitel wieder zurückgewinnen, nachdem ich diesen dieses Jahr leichtfertig abgegeben habe (durch einige heftige Spielfehler meinerseits). Falls irgendwie möglich noch einmal auf einer Weltmeisterschaft teilnehmen.
TCGCity: Wie bereitest du dich auf ein wichtiges Turnier vor?

Ich lese fast alle großen Turnierberichte bzw. Decklisten im europäischen, amerikanischen und japanischen Raum und dadurch weiß ich sehr schnell wie sich das Metagame verhält bzw. entwickelt. Danach teste ich auf Dueling Network mit meinen Freunden und wenn es die Zeit zulässt versuche ich auch aktiver in meinem lokalen Shop vorbeizuschauen und dementsprechend meine reale Spielpraxis zu fördern. Ansonsten immer rechtzeitig einen guten Flug und Hotel buchen, weil ein Turnierwochenende sehr anstrengend werden kann und man eine gute Erholungsumgebung braucht.

TCGCity: Wie hast du die Anfänge von YGO erlebt?

Ganz am Anfang war ja die „Nur-Deutschsprachige-Karten-Erlaubt“ Turnierszene. Damals hatten die Karten auch noch die Preise aus dem aktuellen Yu-Gi-Oh! Karten Price Guide. Nichtsdestotrotz waren Fähni und ich auf einem dieser Turniere und haben leider sehr knapp die Qualifikation fürs Österreichische National Team verpasst (Fähni Top 4, Ich Top 8 und nur die ersten zwei holten sich die Quali). Ich hab das dann aber später nachgeholt und unter anderem auch den anschließenden Österreich-Ungarn Battle für mich entscheiden können.

TCGCity: Wie siehst du die aktuelle Situation in Österreich?

Ich glaube damit man erfolgreich in Yu-Gi-Oh! sein will muss man sich einfach sehr intensiv auf Turniere vorbereiten. Ich kenne sehr viele Spieler die eigentlich sehr gut spielen aber halt wegen zu wenig Vorbereitung nicht die erhofften Erfolge erzielen (mich eingeschlossen, weil ich bin ein wenig faul geworden mit der Zeit und es haben sich auch die Prioritäten geändert). In Österreich haben wir Beispielsweise Long Dao und Peter Gross die einfach sehr viel Yu-Gi-Oh! spielen und das auf einem sehr hohem Level. Wenn man Potential hat und dem Potential genügend Zeit widmet dann werden auch die Ergebnisse kommen. Ansonsten bekomme ich von der österreichischen Turnierszene wenig mit, weil mich eigentlich nur die Österreichische Meisterschaft interessiert. Früher war ich noch jung und wollte so viel reisen wie möglich und da bin ich zu vielen Turnieren mit dem Zug gefahren und heutzutage buche mir halt lieber einen Flug zu größeren Turnieren.

TCGCity: Wieso hast du eigentlich mit YGO begonnen?
Einer meiner Freunde (Fähni) kaufte sich damals zwei Yu-Gi-Oh! Starter Decks und wollte gegen mich spielen. Das war der Einstieg in die Droge Yu-Gi-Oh! welche mich seitdem konstant heimsucht ;)
TCGCity: Was du noch sagen möchtest?

Erst einmal Danke für das nette Interview und die guten Fragen. Wir zwei sind ja noch Teil der Leute die das Spiel noch immer spielen, nach all den Jahren ;)
Dann mal ein Dankeschön an alle Leser, die bis hier hin durchgehalten haben. Ich hoffe es hat euch einen kleinen Einblick in meine Person gegeben und Ihr könnt das eine oder andere aus dem Interview mitnehmen.

Ansonsten möchte ich noch auf die Organisation United Gosus hinweisen von der ich ab nächsten Monat die Position des Präsidenten übernehmen werde. Dann sollte man immer in einem Interview den Namen Tolga Erkoc erwähnen, weil das einfach Tradition hat.
Dann noch einen netten Gruß an alle Leute die mir immer auf Turnieren die Daumen drücken oder mich ansprechen. Es ist ein sehr gutes Gefühl, wenn man weiß, dass man ein paar Leute hinter sich stehen hat. Ansonsten versucht fair zu spielen, freundlich zu sein und das Spiel zu genießen mit allen seinen Höhen und Tiefen ;)

An dieser Stelle möchte ich noch eine persönliche Anekdote aus meinem Turnierleben erzählen: Ich kann mich noch sehr gut an mein erstes Duell gegen Claudio erinnern. Es war im Jahr 2005 bei einem größeren Turnier in Schwechat (Österreich hatte zu dieser Zeit dank dem Einsatz des Rarehunter Shops eine der größten Communities überhaupt). Wir sind bei einem der legendären Battle City Turniere aufeinander getroffen (wir standen beide zu 0). Zum damaligen Zeitpunkt habe ich weder gewusst wieso Mystische Plasmazone schlecht war, noch wie das aktuelle Metagame aussah. Ich konnte Claudio mit meinem Dark Beatdown Deck (mit einem Mad Dog of Darkness und Mystischer Plasmazone) sogar ein Game abringen. Doch letztendlich war sein Chaos Deck einfach zu stark.

TCGCity: Danke an Claudio für die ausführliche Beantwortung unserer Fragen und die offenen Worte. Wir wünschen dir natürlich weiterhin alles Gute und viel Erfolg auf deinem Weg.

Letzte Worte: BORIS!!!